Am Sonntag, dem 10. März 2024, fand die Auftaktveranstaltung für den mittlerweile 50. frauenORT in Niedersachsen statt. Er ist der deutsch-portugiesischen Schriftstellerin Ilse Losa gewidmet. Herzlichen Glückwunsch der Stadt Melle, der Gleichstellungsbeauftragten Katja Rauer und dem Initiativkreis Ilse Losa!
Nach einer Begrüßung der nahezu 200 Gäste durch Melles Bürgermeisterin Jutta Dettmann, die von Anfang an die Initiative vor Ort stark unterstützt und mitgetragen hat, sprachen zahlreiche Ehrengäste persönliche Grußworte.
Sozial- und Gleichstellungsminister und zugleich Schirmherr der Initiative, Dr. Andreas Philippi, wies auf die Bedeutung der frauenORTE Niedersachsen hin: „Vielen von uns fallen in der Historie zahlreiche Männer und wenig Frauen ein. Mit viel Herzblut sorgt der Landesfrauenrat Niedersachsen dafür, dass die frauenORTE die Geschichten vieler Frauen sichtbarer und greifbarer machen. Die frauenORTE zeigen: Frauen waren immer schon in wichtigen Positionen und geschichtlich bedeutenden Kontexten dabei. So auch Ilse Losa, deren frauenORT heute in Melle eröffnet wird. Ilse Losa war gezwungen, vor den Nazis zu fliehen. Nicht nur, weil sie jüdischer Herkunft war, sondern auch, weil sie aufbegehrte gegen das faschistische Regime. In beeindruckender Weise hat sie ihr Leben im Exil in die Hand genommen und sich als Schriftstellerin einen Namen gemacht. Eine bemerkenswerte Geschichte für den 50. frauenORT.“
Auch Konsul Vasco Seruya als Vertreter des portugiesischen Generalkonsulats, Anna Kebschull, Landrätin des Landkreises Osnabrück und Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Osnabrück stellten das Leben und Werk der deutsch-portugiesischen Schriftstellerin in einen größeren Zusammenhang.
Der Landesfrauenrat Niedersachsen, vertreten durch die Vorsitzende Dr. Barbara Hartung, zeigte sich besonders glücklich, dass der 50. frauenORT der jüdischen Schriftstellerin gewidmet ist. „Gerade in der heutigen Zeit sehen wir, wie aktuell und denkwürdig Ilse Losas Texte waren und sind. Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass wir momentan reaktionäre Bestrebungen zu rechtsextremen und antifeministischen Positionen erleben. Wir sehen nach wie vor, und leider wieder so heftig wie seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr, einen hochkochenden Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus“, erläuterte die Vorsitzende.
„In unserer Einwanderungsgesellschaft haben zudem viele Menschen bereits einen Verlust der Heimat erlebt, haben Angst, dazu gezwungen zu werden oder sind verunsichert, wo eigentlich ihre Heimat liegt und welches ‚ihre‘ Sprache ist. All diese Themen – Antisemitismus, Diskriminierung, Herabwürdigung und Ausgrenzung von Frauen, Verlust der Heimat und Migration – hat Ilse Losa aufgegriffen. Sie brachte mit einfachen, aber verständlichen Worten die Gefühlswelt der betroffenen Menschen zum Ausdruck und gab ihnen damit eine Stimme.“
Im Anschluss überreichte Dr. Barbara Hartung gemeinsam mit Minister Dr. Philippi die Bewilligungsurkunde an die Bürgermeisterin der Stadt Melle.
Dr. Susanne Tauss, Geschäftsführerin des Landschaftsverbands Osnabrücker Land, widmete sich anhand einer kleinen Auswahl an Texten und Übersetzungen Ilse Losas ihrer Auseinandersetzung mit dem schmerzlichen Heimatverlust.
In einer Uraufführung des Gedichts „Pranto em Buchenwald“ (Weinen in Buchenwald) zeigte Sopranistin Margarete Huber eine Interpretation des Gedichts durch den Komponisten Willem Schulz.
Journalistin Ita Niehaus lud als Moderatorin der Veranstaltung schließlich die drei Initiatorinnen des frauenORTES, Barbara Daiber, Angela Kemper und Dr. Irene Below, gemeinsam mit dem Enkel der Schiftstellerin, Sidh Daniel Losa Mendiratta, zu einer Gesprächsrunde auf die Bühne.
Bei einem gemeinsamen Imbiss und Gesprächen klang diese würdevolle und bewegende Veranstaltung aus.
Über die Schriftstellerin Ilse Losa:
Ilse Losa wird am 20. März 1913 als Ilse Lieblich in Melle-Buer geboren und emigriert – nach einer ersten Verhaftung durch die Nationalsozialisten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft – im März 1934 nach Portugal. Dort verfasst sie in der ihr zunächst fremden portugiesischen Sprache Romane, Erzählungen, Essays und Kinderbücher. Bald wird sie zu einer äußerst bekannten und beliebten Autorin, deren Werke in den nationalen Leseplan aufgenommen werden. In ihren Texten erzählt sie insbesondere aus der Perspektive von Frauen und Kindern.
In Deutschland bleiben ihre Werke und sie selbst bislang weitestgehend unbekannt, auch nachdem 1990 zwei Romane und ein Erzählband veröffentlicht werden, und sie 1991 das Bundesverdienstkreuz erhält.